Nach Erzählung des Zeitzeugen Franz Behm und Recherchen von Johann Fleischmann sowie des HKV im Februar 2014
Am frühen Morgen des 31. März 1944 wurden die Bewohner des Dorfes Friesen (Oberfranken) und der umliegenden Gemeinden gegen 0.45 Uhr aus dem Schlaf gerissen. 795 Bomber der Royal Air Force waren etwa 4 Stunden zuvor in England gestartet und bei mondheller Nacht ohne Positionslichter auf ihrem Weg über dem Landkreis Bamberg. Das Ziel ihrer tödlichen Mission war Nürnberg.
Der Augenzeuge Franz Behm war damals 12 Jahre alt und erzählt uns aus seinen Erinnerungen:
"Die Friesener sind durch das Dröhnen der Motoren aus ihren Häusern gekommen und sahen ein trudelndes Flugzeug niedergehen, das wohl einen Treffer abbekommen hatte. Dieses war, wie wir heute wissen, ein sogenannter Pathfinder (d.h. Pfadfinder bzw. Wegweiser) und hatte Markierungsbomben (PTT-Flares) an Bord. Es verlor viel Öl und Treibstoff auf den Dächern und Hausstaffeln. Dann eine Explosion und die Einwohner hörten einen Aufschlag an dem nahen Berg. Das Flugzeug stürzte brennend auf das Plateau der Friesener Warte, Richtung Ketschendorfer Seite (wo heute die Erklärungstafel der keltischen Ringwallanlage steht) und brannte noch mehrere Tage.
Die Besatzung dieser viermotorigen Halifax bestand aus acht Mann, denn eine Person kam bei dieser Mission zwecks Einweisung dazu. Der Pilot, der Bordfunker und der Heckschütze konnten sich mit dem Fallschirm retten. Einer davon landete neben der Kirche im Garten von Familie Krümmer, ein weiterer außerhalb von Friesen, beim Wirt Brütting auf seinem Bierkeller im Wald und Pilot Nielsen landete in Teuchatz. Die fünf anderen Besatzungsmitglieder überlebten den Abschuss nicht.
Der deutsche Nachtjägerpilot einer zweimotorigen Messerschmitt 110 der wohl den Treffer anbrachte, war Leutnant Willi Trabert und musste nach dem Luftkampf in Drügendorf notlanden. Da er noch die brennende Halifax sah, lies er sich mit einem Motorrad nach Friesen fahren. Die Dorfwache hatte bereits die Überlebenden in den Tanzsaal des Friesener Wirts gebracht. Dort unterhielt sich der deutsche Pilot dann sogar mit den Kanadiern auf Englisch. Bald kam der örtliche Polizist hinzu, der die Kommunikation mit dem Feind sofort untersagte.
Die Gefallenen brachte man nach Buttenheim zum Friedhof, wo man sie beisetzte. Später wurden die sterblichen Überreste auf dem Dürnbach War Cementery bei Rosenheim umgebettet."
Die Gefallenen waren der 23 jährige D. McL. Awrey, Navigator aus Ontario, L. Milward, Air Bomber aus Saskatchewan, C. W. Panton, Flight Engineer aus Licolnshire, W.F. Rost, Copilot aus Toronto und J. S. Thomson, Air Gunner aus Belfast.
Die viermotorige Handley Page Halifax hatte die Kennung HX 272 und gehörte zur 433. "Porcupine" Squadron der Kanadischen Luftwaffe (RCA). Die Maschine war mit elf anderen dieser Einheit von Skipton-on-Swale in England gestartet. Sie hatte den Schriftzug "Mad Dane" (Verrückter Däne) aufgemalt, als Anspielung auf die dänischen Wurzeln des kanadischen Piloten und Kommandanten Pilot Officer Christian Nielsen.
Hintergrund: Der Luftkrieg gegen Nürnberg in der Nacht vom 30. auf 31. März 1944.
Der Angriff von Bomber Command war der größte Nachtangriff auf Nürnberg. Die Bomber kamen von ihren Fliegerhorsten in England über Belgien, Frankreich, den Rhein und den Main entlang. Nördlich von Coburg schwenkten sie bereits nach Süden ein, überflogen Bamberg und begannen ihr Ziel zu suchen.
Erfasst wurde der nahezu 100 km lange Bomberstrom jedoch schon seit der belgischen Nordseeküste und ab der Stadt Aachen waren die Flugzeuge und ihre Besatzungen ständigen Attacken von über 200 deutschen Nachtjägern ausgesetzt. Die Bomber warfen ihre "Fracht" zwischen Nürnberg und Lauf ab. Ziel war eigentlich der Nürnberger Hauptgüterbahnhof und das Stadtzentrum.
Auch in Bamberg wurde Fliegeralarm gegeben und es entstand am 31. März 1944 der erste Bombenschaden. Eine Maschine des "Nuremberg Raid" scherte aus dem Flugzeuggeschwader aus und warf eine Luftmine, Brandbomben und Phosphorkanister ab. Ein Wohnhaus und die Werkshallen einer Straßenbaufirma wurden zerstört.
Aber nicht nur die Stadt Nürnberg, Lauf und die umliegenden Gemeinden erlitten schwerste Zerstörungen, auch die Angreifer mussten katastrophale Verluste in Kauf nehmen. 95 Maschinen wurden aus dem hauptsächlich aus Staaten des britischen Commonwealth bestehenden Großverband abgeschossen, 12 Maschinen bei der Landung oder Unfällen komplett zerstört und weitere 58 Maschinen waren nach dem sogenannten "Nuremberg Raid" nahezu unbrauchbar, so die Statistik von Bomber Comand.
Für das britische Bomberkommando unter General Arthur Harris war das Unternehmen mit 545 Gefallenen und Vermissten das mit den schwersten Verlusten während des gesamten Zweiten Weltkrieges. Für Nürnberg war dies der sechste schwere Angriff. Es musste noch neun weitere schwere Bombardierungen und die Schäden durch die erbitterte Verteidigung bei seiner Eroberung hinnehmen. 90% der historischen Altstadt waren am Ende komplett zerstört. Die unfertigen Nazibauten des Reichsparteitagsgeländes wurden erst nach dem Krieg teils demontiert oder gesprengt und viele stehen bis heute.
Treffen auf der Friesener Warte im Jahr 2010
Im Juni 2010 trafen sich Angehörige des damals ums Leben gekommenen Bordmechanikers C. Panton und des überlebenden Piloten Chris Neilson am Unglücksort auf der Warte. Sie waren aus England und Kanada mit einem BBC Kamerateam angereist, um die Absturzstelle zu besuchen. Zu Stande gekommen war der Besuch über einen Freund der Familie Panton, der im Februar den Tourist & Kongress-Service in Bamberg einen Brief geschrieben hatte. Die Bamberger informierten ihre Hirschaider Kollegen. Diese nahmen dann Kontakt zu Gerd Porzky, dem Vorsitzenden des Luftsportvereins Friesener Warte auf, der auch den Besuch über die Marktgemeinde Hirschaid mit ihrem Bürgermeister Schlund organisierte.
Es war für die Angehörigen sehr wichtig, den Ort im ehemaligen Feindesland mit eigenen Augen zu sehen und dieses ihren Familien weiter zu geben. Der Besuch war für alle Beteiligten ein Erlebnis, sie brachten auch eine große Dankbarkeit zum Ausdruck, dass wir nun schon über sechs Jahrzehnte in Frieden leben können.
Besonderer Dank an Gerd Porzky, der uns seine Informationen zur Verfügung stellte |